Online-Jugendclub: Räumlich getrennt und doch nah beieinander

Veröffentlicht am: 17. März 2021

Chemnitz – Es ist Montag, 19 Uhr. Der Online-Jugendclubabend steht an. Katharina Schnabel, Pädagogin im Don Bosco Haus (DBH) Chemnitz, lässt nach und nach die Jugendlichen in den Videochat eintreten. Schließlich kommen sieben Teilnehmer*innen zusammen – obwohl streng genommen sogar acht. Denn das junge Pärchen Rocco und Sindy hat seinen Nachwuchs mit dabei. Von den Gesprächen um ihn herum lässt sich der kleine Ben jedoch nicht irritieren und liegt friedlich in den Armen seiner Mutter.

Schnell wird auch deutlich: Auch wenn das gesellschaftliche Leben draußen gerade stillsteht, bei den Jugendlichen passiert gerade sehr viel. Pascal ist in seine neue Wohnung gezogen und stellt den anderen seine neue Küche vor. Auch Jean lebt seit kurzem in ihren eigenen vier Wänden und erzählt vom Fortschritt eines ihrer Projekte. Sie möchte eine Zimmerwand komplett mit Disney-Figuren bemalen. „Und wie kommst du voran?“, fragt Katharina Schnabel. Drei neue Figuren sind vor kurzem dazugekommen, berichtet sie. Mit dem Ergebnis ist sie ganz zufrieden, obwohl oder gerade weil die Figuren alles andere als perfekt aussehen. „Entweder sie sind zu dick oder sie schielen ein bisschen.“

„Es ist ein Versuch, Gemeinschaft zu leben.“
Junges Mädchen malt im Don Bosco Haus Chemnitz

Es sei wichtig, dass es das Angebot des Online-Jugendclubabends gibt, denn die jungen Menschen hätten derzeit viel Redebedarf, betont Katharina Schnabel. „Es ist ein Versuch, Gemeinschaft zu leben.“ In den Gesprächen möchte die Sozialpädagogin erfahren, was im normalen Alltag der Jugendlichen los ist und, was sie bewegt. Auch die Pandemie ist oft Thema. Jean erzählt beispielsweise von ihrem Corona-Test. Sie hat Erkältungssymptome und muss bis Freitag erst einmal zu Hause bleiben. Sehr ärgerlich, weil sie erst einige Tage zuvor ihr Praktikum im Kindergarten angefangen hat. „Ein perfekter Start“, sagt sie ein bisschen selbstironisch. Da sie vorerst in Quarantäne ist, bietet ihr die Sozialpädagogin an, ihr jederzeit Essen vorbeibringen zu können. „Ich nehme dann auch einen Big Tasty“, witzelt Rocco und die Runde lacht.

Zentral für die Beziehungsarbeit mit den Jugendlichen ist laut Katharina Schnabel auch das Vorleben christlicher Werte und die Gestaltung dazu passender Beziehungsangebote. Denn das Don Bosco Haus Chemnitz gehört zum römisch-katholischen Orden der Salesianer Don Boscos. Da die Jugendlichen in der Regel aber konfessionslos sind – in Chemnitz sind nicht einmal zwei Prozent der Menschen katholisch – sind christliche und religiöse Themen für die jungen Menschen aber immer etwas befremdlich, wie die Sozialpädagogin aus eigener Erfahrung weiß. „Wenn es in die Situation passt, sprechen wir aber auch ganz niedrigschwellig über Themen wie zum Beispiel das Fasten.“

Die Nähe fehlt
DBH Chemnitz: Offene Jugendarbeit in Corona-Zeiten

Offene Jugendarbeit in Corona-Zeiten.

Gerade in der aktuellen Zeit sehnen sich die Jugendlichen laut Katharina Schnabel stark nach Normalität sowie nach Nähe und Kontakt. Es gehöre im DBH dazu, dass die Jugendlichen einfach in den Arm genommen werden, wenn sie traurig sind. Weil das aktuell nicht möglich ist, haben sie daraus ein kleines Rechenspiel gemacht. Zusammen zählen sie, wie viel „Umarm-Zeit“ ihnen mittlerweile insgesamt zustehen müsste. Es dürften mehrere Stunden sein, ist sich die Sozialpädagogin sicher.

„Wann macht ihr denn wieder auf?“, fragt Pascal schließlich in die Runde. Tatsächlich werde das Don Bosco Haus für zwei Tage öffnen dürfen, aber Katharina Schnabel dämpft sofort die Hoffnungen darauf, dass das in Anbetracht der Zahlen lange so bleibt. „Ich gehe davon aus, dass der nächste Lockdown kommt.“

Osteraktion im DBH

Dann erzählt Katharina Schnabel von der bevorstehenden Osteraktion, die ähnlich der im vergangenen Jahr ablaufen soll. Die Jugendlichen könnten sich an dem Tag wieder kleine Osterkörbchen abholen. Außerdem hätten sich die Mitarbeitenden des DBH überlegt, eine Leine mit Postkarten zu spannen. „Wir wollen, dass die Menschen über Ostern Karten verschicken“, erläutert Katharina Schnabel. Dann fragt die Pädagogin Marie Luise, ob sie nicht das passende Info-Plakat dafür entwerfen könne. „Bestimmt“, sagt das junge Mädchen, obwohl sie von der Karten-Aktion noch nicht so überzeugt ist. „Wer verschickt denn Karten zu Ostern?“ „Naja, wir wollen sie ja inspirieren“, antwortet Katharina Schnabel amüsiert.

Gast aus Indien

Dann schaltet sich zum Videochat noch ein neuer Gast dazu. Es ist der Salesianerpater Sarath Babu Parri, der in Indien lebt, aber bis 2016 dreieinhalb Jahre im Don Bosco Haus Chemnitz tätig war und seitdem auch immer noch den Kontakt zu der Einrichtung hält. Von dieser Zeit kennen auch die Jugendlichen im Videochat den Pater. Sie sind ganz erstaunt über seinen Bart. „Das sieht echt komisch aus“, neckt ihn Rocco. Der Salesianer erzählt in der Runde, dass er sich den Bart für die Fastenzeit h­­at wachsen lassen – dieser sei ein Symbol für Kraft. Die Fastenzeit nutze er für einen „inneren Wechsel“ sowie dafür, sich mehr Zeit für sich selbst zu nehmen.
­­

Corona-Alltag beim offenen Kinder- und Jugendtreff des DBH Chemnitz

Jugendliche sehnen sich nach Nähe.

„Und wie ist die Corona-Situation in Indien?“, will Katharina Schnabel von ihm wissen. Sarath Babu Parri berichtet davon, dass die Impfreihenfolge sich hier nicht nach dem Alter richtet. Doch das Thema wird schnell gewechselt, denn der Pater möchte wissen, wie es den Jugendlichen geht. Die Gespräche drehen sich daraufhin um Kochrezepte, ums Shoppen – Rocco hat sich ein neues Handy gekauft – und um Sport (mit Hula Hoop Reifen). Anna-Katharina ist laut ihrem Smartphone an diesem Tag 7192 Schritte gelaufen, berichtet sie stolz. Während ihrer Ausbildung als Altenpflegerin macht sie viele Hausbesuche und übernimmt demnächst auch die Medikamentengabe einiger Klienten. „Ich muss mich jetzt viel mit Nebenwirkungen auskennen“, sagt sie. „Das klingt doch interessant – dann kann ich mich später ja auch von dir verpflegen lassen“, sagt Katharina Schnabel augenzwinkernd.

Für Gelächter sorgt zum Schluss des Abends noch ein Kommentar von Sarath Babu Parri. Er sagt, dass er es in Zukunft öfter schaffen möchte, bei den Online-Jugendclubabenden dabei zu sein. „Vielleicht so einmal im Jahr.“ „Na, dann sage ich schon mal frohe Ostern, frohe Weihnachten und ein frohes neues Jahr“, meint daraufhin Anna-Katharina lachend. Er hat natürlich einmal in der Woche gemeint.

Text: Patrizia Czajor; Fotos: DBH Chemnitz